Internationaler Frauentag – Wir brauchen keine Blumen! Worum es eigentlich geht.
Wenn wir im Internet in die Bildersuche den Begriff „Frauentag“ eingeben, bekommen wir als Ergebnis Blumenbilder. Meist mit Worten wie „alles Gute“ oder „alles Liebe zum Frauentag“ in hübscher Schnörkelschrift. Noch oft wird der 8. März so ähnlich verstanden wie der Muttertag: ein Tag, an dem Frauen (ausnahmsweise mal) beachtet und nett behandelt werden. Aber ist es das, was wir wollen und brauchen? Sicher nicht. Denn am Internationalen Frauentag geht es nicht vorrangig um individuelle Wertschätzung, sondern um den wichtigen Kampf gegen systemische Geschlechter-Diskriminierung. Diese betrifft übrigens nicht nur Frauen, sondern alle Menschen, die nicht Männer sind, also zum Beispiel auch trans und inter* Menschen und nicht-binäre Personen. Deshalb ist der Frauentag ein „Feministischer Kampftag“.
Neben den seit Jahren diskutierten Problemen wie Gender Pay Gap (von 18 %), Bundestagsabgeordnete zu zwei Dritteln männlich, wenig Diversität in Führungspositionen, das Zurückdrängen von Frauen in traditionelle Rollen während der Corona-Pandemie, strafrechtliche Hürden bei körperlicher Selbstbestimmung sowie die enorm hohe Zahl von Gewalttaten, denen Frauen Tag für Tag ausgesetzt sind, liegt der Fokus in diesem Jahr auf Rollenbildern und dem Abbau von Vorurteilen.
„Break the Bias“
Dieses Jahr lautet das Motto des 8. März „Break the Bias“, also „Stoppt die Voreingenommenheit“. Es geht darum Stereotypen und Voreinstellungen gegenüber Frauen und Mädchen zu durchbrechen und dadurch für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Es soll aber auch aufzeigen, dass Männer an vielen Stellen als die Norm angesehen werden und wie schädlich dies für andere ist. Ein Beispiel: In der Medizin gibt es zu wenige Daten und Informationen über die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Angefangen von verschiedenartigen Symptomen über Reaktionen auf Medikamente und Impfstoffe bis zu unterschiedlichen Anforderungen an Behandlungsmethoden.
Auch in anderen Bereichen wie Stadt- und Haushaltsplanung, Klima oder Verkehrssicherheit werden Männer, das Verhalten von Männern und deren Bedürfnisse als Norm angenommen. Das führt dazu, dass die Bedürfnisse von nicht-männlichen Personen nicht genügend berücksichtigt werden. Hier gibt es viel zu tun, für die Unterschiede zu sensibilisieren und Maßnahmen zu ergreifen.
Geschlechter-Stereotype – auch bei der Gründung
In der Gründerinnenzentrale weisen wir oft auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Gründung hin. Denn Frauen gründen anders.
Frauen gründen:
- häufiger alleine
- oft im Nebenerwerb
- mit weniger Geld und
- in Branchen, in denen weniger Geld verdient zu verdienen ist (personenbezogene Dienstleistungen, Bildung, Kultur) als in vornehmlich Männern zugeschriebenen Branchen (Technologie).
Wir müssen kritisch sein und fragen:
„Zeigen Frauen dieses Gründungsverhalten, weil sie es wirklich wollen oder weil sie keine andere Möglichkeit haben?
Denn die Realität sieht anders aus:
- Frauen gründen nicht mit kleineren Summen, weil sie das für sinnvoll erachten, sondern weil sie in der Regel weniger Geld zur Verfügung haben (schlechter bezahlte Jobs vor der Gründung, Teilzeit, Familienphase).
- Frauen haben einen schlechteren Zugang zu fremdem Geld (weniger Sicherheiten und Vermögen).
- Frauen gründen auch nicht aus voller Leidenschaft im Nebenerwerb, um mehr Freizeit zu haben, sondern sie haben meist noch andere Verantwortlichkeiten, die keine Vollzeit-Selbständigkeit erlauben (Care-Arbeit).
- Frauen gründen nicht ohne andere Personen, weil sie keine Unterstützung haben möchten, sondern weil sie das Risiko besser einschätzen können, wenn sie alleine gründen. (Und das ist notwendig, weil sie weniger finanzielle Reserven haben.)
- Frauen würde gerne groß gründen, mit viel Geld in der Hinterhand, Personal einstellen, wachsen, Geld verdienen. Doch die Rahmenbedingungen sind dafür nicht geschaffen. Sie müssen mit knapperen Ressourcen auskommen und die Förderungen greifen bei ihnen oft nicht, wie wir in diesem Artikel anlässlich der ungerechten Corona-Förderungen erläutert haben.
- Frauen nennen überwiegend andere Erfolgsfaktoren als Männer: Vereinbarkeit und Sinnhaftigkeit stehen auf den ersten Rängen, nicht das Erwirtschaften von Profiten um jeden Preis.¹
Weitere Unterschiede bei der Gründung durch Frauen sind übrigens: Sie gründen nachhaltiger, zahlen mit größerer Wahrscheinlichkeit ihre Kredite zurück und zeigen sich im Krisenfall flexibler. Trotz oder wegen der Rahmenbedingungen.
Fix the system, not the women
Wenn wir über das Thema „Unternehmerinnen“ sprechen, müssen wir deshalb wegkommen vom Gedanken, dass Frauen sich dem bestehenden System anpassen müssen, um erfolgreich zu sein. Denn wir sehen ja, wohin uns dieses System führt: zu zerstörter Umwelt, Armut bei Vollzeit-Arbeitenden und verbrauchten Ressourcen.
Unternehmerisches Handeln, das anderen Mechanismen als rein kapitalistischen folgt, sollte also unterstützt und ausgezeichnet werden. Auf der Fachtagung der „bundesweiten gründerinnenagentur – bga“ im Jahr 2020 sprach Professor Dr. Stephanie Birkner darüber, warum das Konzept der Förderung von Frauen nicht weiter als das Ausgleichen von Defiziten verstanden werden darf.
Sinngemäß sagt sie: „Frauen müssen nicht gefördert werden, sie müssen nur den Raum bekommen, um ihre Exzellenz zu zeigen.“
Schluss mit dem Opfer-Gerede!
Wenn wir Missstände benennen und fordern, dass genderspezifische Ungerechtigkeiten behoben werden, bedeutet das nicht, dass wir uns in die Opferrolle begeben.
Wir möchten nicht länger gegen Hürden kämpfen, sondern unsere Zeit, Kraft und Expertise für unsere Pläne, Ziele, Familie, Freund*innen und für uns selbst verwenden.
Dies würde allen Menschen zugute kommen – auch Männern.
Der Internationale Frauentag betrifft uns alle, denn Feminismus bedeutet für uns: gleiche Möglichkeiten, Ressourcen und Bedingungen für alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht.
Wir fordern zum „Internationalen Frauentag“ (nicht nur)
für Gründerinnen
- Entwicklung eines Unternehmer*innenbildes mit diversen Werten
- Gendersensible Ausgestaltung von Budgets und Wirtschaftsförderung
- Zeitlich umfassende, verlässliche und qualitativ hochwertige (gut bezahlte) Kinderbetreuung für alle
Dafür steht die Gründerinnenzentrale und dafür setzen wir uns seit über 15 Jahren ein!
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¹ Quellen Gründungsmotivation Frauen
„Auffällig ist dabei, dass monetären Anreizen für Männer eine deutlich höhere Bedeutung zukommt, als für Frauen.“
Female Founders Monitor 2021: „Allgemein lässt sich sagen, dass Purpose – also ein höheres Ziel – für Frauen in der Startup-Szene enorm wichtig ist. Im Unterschied zu den Gründern ist ihre Motivation häufiger an ökologische Nachhaltigkeit gebunden. Noch deutlicher ist das Bild im Bereich Social Entrepreneurship, dem sich über die Hälfte der Gründerinnen zugehörig fühlt. Die Zahlen des Social Entrepreneurship Monitors, demzufolge der Frauenanteil dort bei fast 47 % liegt, bestätigen diese Ergebnisse (Scharpe & Wunsch 2019). Die Entwicklung neuer und vor allem digitaler Konzepte im sozialen Bereich – nicht erst seit der Corona-Krise eines der Zukunftsthemen im Startup-Sektor – wird also maßgeblich von Gründerinnen vorangetrieben.“
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