Lena Hedemann
ist ausgebildete systemische Coach und begleitet seit 7 Jahren Menschen in ihren Veränderungsprozessen. Sie lebt mit ihrem Sohn und ihrem ebenfalls selbständigen Mann in Berlin.
Wie betrifft Sie die momentane Lage?
Alle Aufträge mit Präsenznotwendigkeit sind jetzt auf unbestimmte Zeit weggefallen. Das betrifft bei mir vor allem Workshops und Trainings. Teilweise denke ich über neue Formate nach und bin da gerade in der Planung. Das ist allerdings nicht bei allen Angeboten möglich, denn da ist der persönliche Kontakt zwischen den Teilnehmenden essentiell.
Auch neue Anfragen für Coachings hatte ich im März und April deutlich weniger, Unternehmen haben kaum noch neue Anfragen gestellt. Seit zwei Wochen ändert sich das aber ins Gegenteil. Mit den bestehenden Klient*innen konnte ich problemlos weiterarbeiten. Ich habe auch schon vorher den Großteil der Coachings online durchgeführt und dann einfach komplett darauf umgestellt. Dank der Technik ist das alles gut machbar.
Die große Herausforderung für mich ist es, für die Arbeit auch wirklich genug Zeit zu haben. Wir haben einen dreijährigen Sohn und mein Mann ist ebenfalls selbständig. Bei der Planung fühlt es sich an wie Tetris spielen. Wir müssen unsere Zeiten zusammenpuzzeln, damit jeder seine Termine unterbringen kann. Meistens arbeiten wir auch abends, am Wochenende und an den Feiertagen, damit wir unsere Arbeit schaffen. Weil wir beide unseren Job lieben, funktioniert das trotzdem ganz gut. Es gibt mir das Gefühl von „ich darf arbeiten“ statt „ich muss arbeiten“.
Welche Schwierigkeiten haben Sie zu bewältigen?
Die Herausforderung ist nicht nur, den Wochenplan mit Arbeitszeiten und Kinderbetreuung zu erstellen, sondern dabei auch mit Planänderungen umzugehen. Mein Mann muss manchmal noch ins Labor gehen und das lässt sich nicht immer lange vorherplanen. Und ich habe auch immer wieder Umbuchungen bei meinen Klient*innen, denen es ja ähnlich geht. In dieser Situation flexibel zu sein, ist nicht immer einfach und führt zu Diskussionen zwischen mir und meinem Mann. Wir sind in ständiger Verhandlung um Arbeitszeit. Was uns dann hilft ist, uns immer und immer wieder daran zu erinnern, warum wir das Ganze gerade machen. Und was für ein Glück wir haben, in Deutschland zu leben, wo im Vergleich zu anderen Ländern die Konsequenzen und Einschränkungen weniger schlimm sind. Die Familie meines Mannes lebt in der Nähe von Bergamo, da sieht es ganz anders aus im Moment. Ich verbinde mich in schwierigen Momenten auch mit dem Gefühl, was wir im August (oder später) haben werden, wenn wir es geschafft haben und dann sehr stolz auf uns sein werden.
Ich glaube, was uns beiden auch immer wieder schwerfällt, ist zu akzeptieren, dass wir weniger Arbeitszeit zur Verfügung haben als vorher. Und dass wir garantiert nicht so viel schaffen können, wie vorher. Damit entspannt umzugehen, das lernen wir gerade. Was aber auf jeden Fall ein Vorteil ist an der ganzen Situation, ist, dass uns noch mehr bewusst geworden ist, wie kostbar Zeit ist. Einerseits bin ich in meiner Arbeit noch effizienter geworden und radikaler, wozu ich ja oder nein sage. Andererseits hatten wir noch nie so viel gemeinsame Familienzeit und genießen das sehr. Ich kann mir im Moment gar nicht vorstellen, wieder zum alten Modell komplett zurück zu kehren.
Welche Unterstützung haben Sie (geschäftlich wie privat)? Haben Sie spezielle Angebote in Anspruch genommen?
Ich habe die Soforthilfe beantragt. Ob ich sie auch behalte oder zurückzahle, das ist mir derzeit noch unklar. Meine Eltern skypen jeden Tag mit ihrem Enkel für mindestens eine halbe Stunde und lesen ihm Geschichten vor. Das ist schon eine große Entlastung. Außerdem haben wir eine tolle Babysitterin, die jetzt wieder regelmäßig Zeit mit unserem Sohn verbringt. So haben wir auch etwas Paarzeit oder ich habe Zeit für mich alleine, um z.B. Yoga zu machen. Diese Woche starten wir außerdem mit einer anderen Familie ein Betreuungstandem und wechseln uns zweimal die Woche mit der Kinderbetreuung ab.