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im Café JoJo: Sylvia Bleich, eine weiße Frau mittleren Alters steht lächelnd hinter einem Tresen. Sie hat dunkle Haare. In der Auslage befinden sich verschiedene Kuchen.

Sylvia Bleich – Café JoJo

Gründungsjahr 2019, Branche: Gastronomie

Sylvia Bleich hat im Wedding neun Jahre lang einen Second-Hand-Laden für Kinderkleidung geführt. Jetzt betreibt sie in denselben Räumen ein Café: das Café JoJo mit Spielgelegenheit für Kinder. Ulla Schweitzer vom Team der Gründerinnenzentrale sprach mit ihr über Selbständigkeit im Allgemeinen und während einer Pandemie, den Umgang mit Schwierigkeiten und die Faktoren für Erfolg.

Ulla: Was war dein beruflicher Werdegang bis zur Gründung?

Sylvia: Von Haus aus bin ich Juristin, habe aber in diesem Job nie gearbeitet. Nach meinem zweiten Kind wurde zufällig der Laden unter meiner Wohnstätte frei. Durch meine Kinder habe ich gemerkt, dass Second Hand sehr wichtig ist. Deshalb habe ich beschlossen, mich damit selbstständig zu machen. Doch die Selbstständigkeit war schwierig. In den ersten fünf Jahren war in meinem Viertel die Kundschaft dafür nicht da. Dementsprechend habe ich noch dazuverdienen müssen und habe bei einer Freundin in der Gastronomie angefangen. Da habe ich meine Leidenschaft für die Gastro entdeckt und angefangen zu lieben, was ich da tue und mit wem ich es tue. Und je mehr ich das eine geliebt habe, desto mehr habe ich das andere gehasst und es dann beendet.

Bezeichnest du dich als erfolgreiche Unternehmerin?

Definitiv. Ich war immer mutig genug, Dinge in Angriff zu nehmen. Zu beobachten, wo meine Stärken liegen und – unabhängig von der familiären Situation – einfach Dinge zu entscheiden für mein Leben. Und sie dann auch zu machen. Das macht mich definitiv erfolgreich.

Es zeichnet mich aus, dass ich Lust auf so viel Verschiedenes habe und das auch mache. Das soll sich jetzt nicht so einfach anhören, denn jede Entscheidung erfordert Zeit, finanzielle Absicherung, Mut. Und auch Bedenken, versagt zu haben, wenn du etwas aufgibst.

Hier wird es ja oft als Scheitern bezeichnet, wenn du irgendwas aufgibst. Doch ich sage auch aus meiner eigenen Erfahrung: Es ist eine total weise Entscheidung, eine Situation zu beenden, die mir nicht gut tut. Ich habe zehn Jahre gebraucht, bis ich das als Stärke und nicht mehr als Versagen betrachtet habe.

Das sehe ich genauso. Wenn du merkst, dass du in irgendeiner Tätigkeit unglücklich bist und sie trotzdem weitermachst, davon wirst du auf Dauer nur krank.

Ich habe wirklich das Glück, immer darauf gehört zu haben, was mir gut tut oder nicht. Und ich weiß jetzt, wenn ich in fünf oder zehn Jahren hier aufhöre, weil ich Lust auf etwas anderes habe oder weil es notwendig ist, dass ich das definitiv niemals als Scheitern, sondern als Veränderung ansehen würde.

Und wie bist du denn eigentlich wieder hier (in den Räumen Nazarethkirchstraße 44) gelandet?

Die Tätigkeit als Angestellte in der Gastronomie hat mich erkennen lassen, dass ich irgendwas anders machen möchte. Dadurch kam ganz schnell wieder die die Lust auf Selbstständigkeit, auf Veränderung. Es war ein schöner Zufall, dass sich hier eine Gastro angesiedelt hatte, die nach drei Jahren wieder weggezogen ist. So konnte ich den Laden zurückerobern!

Mit welchem Ziel hast du dich erneut selbstständig gemacht und hast du das Ziel erreicht? Also, du bist deiner Leidenschaft gefolgt und ist es jetzt auch so, wie du es dir vorgestellt hast?

Ja, eigentlich noch schöner, weil ich Dinge selber entscheiden kann, weil ich frei bin in meinen Bemühungen, meinen Einschätzungen, was genug ist. Was die Menschen und so vieles andere betrifft, bin ich definitiv da, wo ich hinwollte. Außer natürlich die politische oder gesundheitliche Einschränkung, die wir im Moment durch die Corona-Krise haben. Das macht vieles sehr, sehr schwer. Aber nicht unmöglich.

Wie gehst damit momentan um?

Eigentlich relativ entspannt. Ich merke schon, dass das ganz viele Spuren bei mir und auch bei meiner Familie hinterlassen hat. Aber ich habe immer versucht, hier vor Ort zu sein, im Rahmen der Möglichkeiten, die die Politik bereitgestellt hat. Ich habe fast immer irgendwie To Go gearbeitet, ich wollte nicht zu Hause versauern. Und ich wollte, dass wir sichtbar sind. Wir haben erst ein halbes Jahr vor Corona eröffnet und ich glaube schon, dass es unser Tod gewesen wäre, wenn wir ganz zugemacht hätten.

Ja, das weiß ich auch sehr zu schätzen, dass ihr die ganze Zeit sichtbar wart! Welche Herausforderungen, abgesehen von Corona, haben sich dir noch gestellt?

Ich habe zusammen mit meiner Tochter den Betrieb eröffnet. Leider ist sie in der Zwischenzeit sehr krank geworden und jetzt liegt die Herausforderung darin zu gucken, wie es weitergeht, ob es ein Familienbetrieb bleibt oder ob ich alleine weitergehen muss. Das ist die Herausforderung.

Welche Angebote zur Entwicklung des Unternehmens hast du in Anspruch genommen? Oder hast du alles selbst gemacht?

Wir haben wirklich alles selbst gemacht. Ich hatte natürlich ganz viele Erfahrungswerte, schon von meiner ersten Selbstständigkeit. Unternehmensberatung, Buchhaltungskurse, Ibuprofen, dass man da eine große Packung braucht, weil man Kopfschmerzen, Fußschmerzen oder sonst irgendwelche Schmerzen hat.

Das heißt, jetzt baust du eigentlich auf der Erfahrung von der vorherigen Selbstständigkeit auf.

Definitiv.

Wer unterstützt dich als Unternehmerin und oder als Person am besten, am meisten?

Mein engster Kreis an Familie, Freunden und Stammkunden, definitiv. Das sind die Menschen, die mich tragen. Unterstützung kam in der Coronakrise definitiv auch vom Staat. Ohne Überbrückungshilfe gäbe es uns nicht. [zögert] Obwohl … das will ich so nicht sagen. Ich glaube, das hätte mich wieder erfinderisch gemacht. Vielleicht hätte ich irgendwas anderes aufbauen müssen, um die Unkosten hier zu bezahlen. Deshalb kann ich das so gar nicht richtig beantworten.

Und wie schaffst du die Balance zwischen deinem Unternehmen und deinem Privatleben und der Familie?

Manchmal überhaupt nicht, weil ich nicht verfügbar bin. Ich bin manchmal 12 bis 15 Stunden auf den Beinen. Zumindest in der Zeit, wo wir von 7 bis 18 Uhr geöffnet hatten. Aber das weiß ich, dass am Anfang ganz, ganz wenig übrig bleibt. Das habe ich erstmal in Kauf genommen, weil ich finanziell auf eigenen Beinen stehen will. Und dass du die ersten paar Jahre ackerst wie ein Pferd, sollte eigentlich klar sein.

Hinzu kommt, dass meine beiden Töchter hier im Café JoJo mitgearbeitet haben. Wenn wir private Zeit hatten, haben wir trotzdem ganz viel besprochen, was den Laden betrifft. Da war gar kein Abstand da. Aber hat sich das jetzt ein bisschen relativiert. Wir haben coronabedingt die Öffnungszeiten geändert. Plötzlich habe ich nachmittags frei, kann mal ein Kind von der Schule abholen, mit einer Tochter shoppen gehen oder gemeinsam frühstücken oder irgendwas.

Liebe Sylvia, vielen Dank für das Gespräch und deine Offenheit. Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg mit dem Café JoJo.

Café JoJo – Sylvia Bleich

Nazarethkirchstraße 44
13347 Berlin
Telefon 0177-7965747
Di bis Fr 10 bis 15 Uhr, Sa/So 10 bis 18 Uhr

Das Café JoJo auf Instagram.

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